Das Rätsel der Schmerzen – Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten
Der Schmerz – er ist Freund und Folterknecht zugleich. Schmerz ist ein unangenehmes und oft belastendes Gefühl, das uns aber auch warnt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Schmerz kann viele Ursachen haben und unterschiedliche Intensitäten aufweisen. In der medizinischen Praxis ist das Verständnis von Schmerz von großer Bedeutung, um ihn effektiv behandeln zu können. Aber Schmerz hat auch eine psychologische und emotionale Komponente, die oft vernachlässigt wird. In diesem Artikel werden wir Schmerz genauer betrachten und Wege aufzeigen, wie Sie mit Schmerzen besser umgehen können.
Inhaltsverzeichnis
- Frühwarnsystem Schmerzen – ein Geschenk der Evolution
- Schmerzen sind subjektive Erfahrungen
- Nozizeptoren - die Wächter des Schmerzes
- Die Gate-Control-Theorie - eine neue Sichtweise auf Schmerzen
- Wie die Komplexität von Schmerzen die Wahrnehmung beeinflusst
- Die Macht der Emotionen
- Schmerzgedächtnis – Wenn Schmerzen zur Erinnerung werden
- Wo Sie bei Schmerzen professionelle Informationen finden
- Orte der praktischen Schmerzversorgung
- Wie werden Schmerzen diagnostiziert?
- Überblick über die verschiedenen Arten von Schmerzen"
- Wann sollten Sie bei Schmerzen einen Arzt aufsuchen?
- Was Sie sonst noch bei Schmerzen tun können
Frühwarnsystem Schmerzen – ein Geschenk der Evolution
Der körperliche Schmerz gehört zum Leben dazu. Er ist dem Menschen ebenso geläufig wie Hunger und Durst oder Kälte und Hitze. Schmerz ist Bestandteil unseres Sinnes- und Gefühlssystems. Auch die Statistik spiegelt das wider. Jeder zweite Europäer über 75 Jahre berichtet über tägliche mehr oder weniger starke Schmerzen. Jeder fünfte Patient in Hausarztpraxen leidet unter chronischen oder wiederkehrenden Schmerzen. Etwa ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland, ca. 23 Mio. Menschen, ist von chronischen Schmerzen geplagt. Vier bis fünf Millionen sind dadurch stark beeinträchtigt. Auch psychische Erkrankungen sind häufig mit körperlichen Schmerzen verbunden. Schmerz gehört zu den frühesten und eindrücklichsten Erfahrungen eines jeden Menschen. Er ist eine lebenserhaltende, biologische Reaktion auf schädigende Einwirkungen und damit überlebenswichtig, trotz aller Qualen, die er hervorrufen kann.
Schmerzen sind subjektive Erfahrungen
Die Weltschmerzorganisation erklärt Schmerz als ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist.
(IASP = International Association for the Study of Pain, https://www.iasp-pain.org/)
Schmerzen können demnach von den Sinnen als stechend, brennend, bohrend oder reißend erfahren werden.
Als Gefühlerlebnis ist Schmerz eine subjektive Erfahrung, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Jeder Mensch hat eine andere Schmerztoleranz und empfindet Schmerz auf seine eigene Weise. Es ist daher wichtig, dass Schmerz individuell und ganzheitlich betrachtet wird.
Nozizeptoren - die Wächter des Schmerzes
Schmerzen entstehen zunächst durch die Aktivierung bestimmter Rezeptoren – der sogenannten Nozizeptoren. Nozizeptoren sind auf Schmerzempfinden spezialisierte Nervenenden im Körper, die auf schädigende oder schmerzhafte Reize reagieren und Schmerzsignale an das zentrale Nervensystem senden. Diese Reize können z. B. Hitze, Kälte, Verletzungen, Entzündungen oder chemische Reize sein. Nozizeptoren befinden sich in verschiedenen Geweben des Körpers, wie in der Haut, in Muskeln, Knochen und inneren Organen. Sie reagieren auf Schmerzreize durch die Freisetzung von Neurotransmittern, die Schmerzsignale an das Rückenmark und dann an das Gehirn weiterleiten.
Das Besondere an den Nozizeptoren: Sie gewöhnen sich nicht an einen Schmerz, sondern werden vielmehr mit jeder Schmerzwiederholung empfindlicher. Und je stärker ein Reiz, desto heftiger reagieren auch die Schmerzrezeptoren und desto mehr davon sind im Einsatz. Schmerzen, die durch eine stetige Überaktivierung von Nozizeptoren ausgelöst werden, können chronisch werden.
Die Gate-Control-Theorie - eine neue Sichtweise auf Schmerzen
Die Gate-Control-Theorie ist eine Theorie der Schmerzverarbeitung, die besagt, dass Schmerz durch ein komplexes Zusammenspiel von Nervensignalen im Rückenmark und im Gehirn reguliert wird. Die Theorie wurde 1965 von den Wissenschaftlern Melzack und Wall entwickelt.
Die Grundidee der Gate-Control-Theorie ist, dass das Rückenmark als ein „Tor" fungiert, das entscheidet, welche Schmerzsignale an das Gehirn weitergeleitet werden und welche nicht. Das Tor kann durch Signale aus verschiedenen Quellen geöffnet oder geschlossen werden. Wenn gleichzeitig andere Signale, wie z.B. Berührungs- oder Vibrationsreize, auf andere Nervenenden treffen, können diese Signale das Schmerzsignal blockieren, das Tor schließen und so die Weiterleitung verhindern.
Die Gate-Control-Theorie hatte wichtige Auswirkungen auf die Behandlung von Schmerzen, da sie belegt, dass Schmerzen durch verschiedene Methoden wie z.B. Medikamente, Physiotherapie oder Psychotherapie beeinflusst werden können.
Wie die Komplexität von Schmerzen die Wahrnehmung beeinflusst
Das bio-psycho-soziale Schmerzmodell erklärt, dass Schmerzen ein komplexes Phänomen sind, das durch eine Vielzahl von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren beeinflusst wird. Nur die Berücksichtigung dieser Faktoren insgesamt kann dazu beitragen, eine effektive Behandlung von Schmerzen zu entwickeln. Das Modell betrachtet so die komplexe Natur von Schmerz als Ergebnis der Interaktion von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren.
- Das biologische Element des Modells bezieht sich auf physiologische Prozesse im Körper.
- Das psychologische Element bezieht sich auf die Wahrnehmung und Interpretation von Schmerzen durch den Betroffenen. Psychologische Faktoren, wie z.B. die Fähigkeiten zur Schmerzverarbeitung oder die Einstellung des Patienten zum Schmerz, können die Schmerzwahrnehmung beeinflussen. Eine negative Einstellung kann den Schmerz verstärken, ein positive kann helfen, den Schmerz zu lindern.
- Das soziale Element bezieht sich auf den sozialen Kontext, in dem der Schmerz auftritt, wie z.B. die Interaktionen mit Familie, Freunden, Arbeitskollegen oder medizinischem Personal. Soziale Faktoren können die Schmerzwahrnehmung beeinflussen, indem sie das Stressniveau des Patienten erhöhen oder durch die Bereitstellung von sozialer Unterstützung und positiver Zuwendung verringern und damit Schmerzen positiv beeinflussen.
Die Macht der Emotionen
Emotionen beeinflussen Schmerzen, indem sie die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung im Gehirn wesentlich mitsteuern.
Angst und Trauer können Schmerzen verstärken, indem sie den Fokus der Aufmerksamkeit darauf lenken und negative Gedanken und Emotionen hervorrufen. Wenn man sich beispielsweise auf den Schmerz konzentriert und dabei negative Gedanken und Gefühle hat, kann das dazu führen, dass man den Schmerz als intensiver und quälender empfindet. Angst kann auch die Muskelspannung erhöhen, was negativ auf Schmerzen wirkt.
Auf der anderen Seite können positive Emotionen wie Freude und Entspannung den Fokus der Aufmerksamkeit von Schmerzen weglenken und das Stressniveau des Körpers senken, was in der Regel zu einer Schmerzlinderung führt.
Schmerzgedächtnis – Wenn Schmerzen zur Erinnerung werden
Die Forschung hat gezeigt, dass unbehandelte, länger andauernde Schmerzen Spuren im Nervensystem hinterlassen. Diese Schmerzspuren werden als „Schmerzgedächtnis“ bezeichnet. Dabei ist die Sensibilisierung für Schmerzen durch wiederholte Reize vergleichbar mit dem motorischen Lernen, bei dem sich durch wiederholte Übungen Bewegungsabläufe manifestieren. Durch die Schmerzspuren werden die Schmerzrezeptoren empfindlicher, reagieren immer schneller und heftiger und das Gehirn ist immer stärker auf den Schmerz fokussiert. Jeder, der einmal stärkere Schmerzen hatte, weiß, dass dadurch alles andere in den Hintergrund rückt. Die Lebensqualität wird deutlich eingeschränkt. Deshalb ist es wichtig, Schmerzen zu lindern. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass der größte Wunsch, den Patienten ihren behandelnden Ärzten gegenüber äußern, die Reduzierung von Schmerzen ist.
Wo Sie bei Schmerzen professionelle Informationen finden
An der Spitze der Organisation stehen die ärztlichen Fachgesellschaften für Schmerztherapie: die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) und die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V.
Die Deutsche Schmerzgesellschaft widmet sich intensiv der Schmerzforschung und Fortbildung.
Die DGS ist eine Plattform für Ärzte und Fachärzte. Sie sorgt mit ihren 120 regionalen DGS-Schmerzzentren dafür, dass sich die Versorgung der Patienten verbessert.
Bei der Deutschen Schmerzliga e.V. können Sie als Patient mit chronischen Schmerzen hilfreiche Informationsbroschüren anfordern, bekommen Tipps und Adressen von Selbsthilfegruppen, Fachärzten und Zentren und finden Fragebögen, die helfen, Ihr Schmerzniveau genauer zu erfassen.
Erster Ansprechpartner bei chronischen Schmerzen ist der Hausarzt. Bei entsprechender Qualifikation kann er selbst eine Schmerztherapie einleiten. Oder aber er überweist an die entsprechenden Einrichtungen, in denen „multimodal“ mehrere Fachrichtungen an der Therapie beteiligt sind.
Orte der praktischen Schmerzversorgung
Die praktische Versorgung von Schmerzen kann an verschiedenen Orten stattfinden, abhängig von der Art und Schwere der Schmerzen sowie von den verfügbaren Ressourcen. Hier sind einige Beispiele, in denen die praktische Versorgung von Schmerzen stattfinden kann:
- Hausarztpraxen, Facharzt- oder Schmerzpraxen
- Krankenhäuser und Schmerzambulanzen
- Schmerzkliniken oder Schmerzzentren (ambulant oder stationär)
- Palliativstationen oder Hospize
- Physiotherapie- oder Ergotherapiepraxen
- Psychotherapie-, insbesondere Körpertherapiepraxen.
Wie werden Schmerzen diagnostiziert?
Die Diagnose des Schmerzes ist aufgrund der hohen Subjektivität nicht einfach. Er lässt sich schwer standardisieren, da jeder Mensch ein anderes Schmerzempfinden hat. Schmerzfragebögen und Schmerzskalen erleichtern der Ärztin und dem Arzt, die Schmerzen besser einzuschätzen. Fragebögen sind zahlreich im Internet zu finden, auch speziell für Kinder und Jugendliche.
Hilfreich ist es auch, ein Schmerztagebuch zu führen. Das erleichtert den Ärzten die Diagnose und Therapie.
Überblick über die verschiedenen Arten von Schmerzen"
Es gibt verschiedene Arten von Schmerzen, die aufgrund verschiedener Ursachen auftreten können. Hier sind einige der häufigsten Arten von Schmerzen:
- Akuter Schmerz: Dies ist ein plötzlicher, intensiver Schmerz, der normalerweise auf eine Verletzung oder Krankheit zurückzuführen ist und normalerweise innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt.
- Chronischer Schmerz: Dies ist ein länger anhaltender Schmerz, der für Wochen, Monate oder sogar Jahre anhalten kann.
- Nervenschmerzen: Dieser Schmerz wird durch Schädigungen oder Störungen des Nervensystems verursacht, wie z. B. bei einer Nervenkompression .
- Muskelschmerzen: Dieser Schmerz tritt aufgrund von Verletzungen oder Überlastungen der Muskeln auf.
- Gelenkschmerzen: Dieser Schmerz tritt aufgrund von Erkrankungen oder Verletzungen der Gelenke auf, wie z. B. Arthritis oder Gicht.
- Kopfschmerzen und Migräne.
- Menstruationsbeschwerden.
- Postoperative Schmerzen: Dies sind Schmerzen, die nach einer Operation auftreten können.
- Phantom Schmerz: Dieser Schmerz tritt in abgetrennten Körperteilen auf und wird oft bei Personen beobachtet, die Amputationen durchgemacht haben.
- Somatische Schmerzen, z. B. bei Depressionen. Sie müssen unbedingt ernst genommen werden. Leider werden sie häufig unterschätzt oder falsch diagnostiziert.
Wann sollten Sie bei Schmerzen einen Arzt aufsuchen?
Nicht alle Schmerzen werden chronisch und nicht alle Schmerzen müssen ärztlich behandelt werden. Dennoch gilt: Schmerz ist ein Frühwarnsignal – Sie sollten ihm Aufmerksamkeit schenken. Schmerzen, die bis zu vier Tage anhalten und die eine nachvollziehbare Ursache haben – Erkältungen, Menstruationsbeschwerden, Zahnschmerzen etc. – können Sie mit Mitteln aus Ihrer Apotheke und mit Hausmitteln selbst behandeln. Einen ärztlichen Rat sollten Sie einholen, wenn
- Nächtlicher Schmerz, zwischen zwei und fünf Uhr, auftritt – er kann ein Hinweis auf einen entzündlichen Prozess sein;
- Wenn Kopfschmerzen an mehr als zehn Tagen im Monat quälen;
- Wenn Schmerzmittel immer häufiger (öfter als zehn Mal im Monat) oder in immer größeren Mengen eingenommen werden müssen;
- Wenn zu den Kopfschmerzen ein steifer Nacken und/oder Fieber auftritt, ist die Rettungsstelle aufzusuchen
- Kopfschmerz von starker Übelkeit begleitet wird und/oder Sehstörungen auftreten: Rettungsstelle aufsuchen.
- Schmerzen in der Brust, die plötzlich auftreten und anhalten und zudem von Übelkeit, Erbrechen, Atemnot, Angst etc. begleitet sind – Notarzt 112 rufen.
- Wenn Herzschmerzen bei Belastung auftreten und von Kurzatmigkeit begleitet sind – schnell zum Arzt.
- Bei Unterbauchschmerzen sofort zum Arzt, wenn die Bauchdecke spannt und Fieber auftritt.
- Bei Bauchschmerzen mit Erbrechen von Blut und bei blutigem Durchfall – schnell zum Arzt.
- Bei allen Schmerzen, die starke Begleitsymptome und/oder Fieber mit sich bringen, sollten Sie schnell einen Arzt aufsuchen.
- Schmerzen wiederholt auftreten und/oder erstmalig länger als drei bis vier Tage anhalten, sollten von einem Arzt abgeklärt werden.
Was Sie sonst noch bei Schmerzen tun können
- An erster Stelle stehen die Schmerzmittel oder Analgetika.
- Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) ist eine nicht-invasive Therapie, bei der ein kleines, batteriebetriebenes Gerät elektrische Impulse durch die Haut sendet, um die Nerven zu stimulieren. Ziel der TENS-Therapie ist es, Schmerzen zu lindern, in der Regel chronische oder akute Schmerzen, die durch Erkrankungen wie Arthritis, Rückenschmerzen oder Nervenschmerzen verursacht werden.
- Manchmal hilft bei Schmerzen Wärme, manchmal Kälte. Ein Wärmeflasche oder ein Kältekissen können also schmerzlindernd sein. Ihr behandelnder Arzt wird Sie darüber informieren, was Sie wann anwenden können. Zudem werden sie auch selbst spüren, was Ihnen guttut. In Ihrer Apotheke finden Sie zahlreiche Wärme- und Kühlprodukte.
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mehr- Entspannung und Ablenkung. Der Schmerz zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Leichte und angenehme Tätigkeiten, die Sie ablenken, können helfen, sich nicht auf den Schmerz zu fokussieren. Eine achtsamkeitsbasierte Therapie kann Sie bei unterstützen.
- Bei chronischen Schmerzen werden Physiotherapie, Manuelle Therapien, Bio-Feedback, Entspannungsmethoden und Akupunktur eingesetzt. Der Facharzt wird entscheiden, was am besten für Sie geeignet ist – auch in Kombination.
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Diese Therapie hilft Menschen, ihre Denk- und Verhaltensmuster zu identifizieren, die Schmerzen verschlimmern oder aufrechterhalten. Das Ziel ist es, diese Muster zu ändern, um Schmerzen zu lindern und das tägliche Funktionieren zu verbessern.
- Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT): Diese Therapie konzentriert sich darauf, Menschen zu helfen, ihre Schmerzen zu akzeptieren und dennoch in ihrem Leben aktiv zu bleiben. ACT konzentriert sich auf die Stärkung der psychologischen Flexibilität und der Fähigkeit, mit schwierigen Emotionen umzugehen.
- Entspannungstechniken: Diese Techniken, wie z. B. progressive Muskelentspannung und autogenes Training, können helfen, körperliche Anspannung und Schmerzen zu reduzieren.
- Mind-Body-Medizin: Diese Therapieformen kombinieren kognitive und körperliche Ansätze, wie z. B. Achtsamkeitsmeditation, Yoga und Tai Chi.
- Hypnotherapie: Diese Therapie kann helfen, Schmerzen zu reduzieren, indem sie Entspannung und Vorstellungskraft einbezieht, um das Gehirn auf positive Weise zu beeinflussen.