Polyneuropathie, ein unterschätztes Nervenleiden
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Polyneuropathie betrifft rund fünf Prozent aller über 50-jährigen. Die Erkrankung schädigt das periphere Nervensystem. Die peripheren Nervenschädigungen sind immer als Symptom einer übergeordneten Erkrankung zu erstehen. Zu den häufigsten Ursachen zählt in den westlichen Industrienationen die Volkskrankheit Diabetes mellitus. Sind motorische Nerven betroffen, so treten Symptome wie Muskelatrophie, Muskelschwäche oder schlaffe Lähmungen auf. Bei sensiblen Nerven äußern sich Schädigungen in Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln.
Schädigung der Nerven
Der Oberbegriff der Polyneuropathie steht für die Schädigung mehrerer Nerven des peripheren Nervensystems. Das zentrale Rückenmark und Gehirn sind nicht von den Schädigungen betroffen. Zu den peripheren Nerven gehören solche, die aus dem Zentralnervensystem Befehle an die Muskeln übermitteln. Auch die Hautnerven sind periphere Nerven.
Sie leiten sensible Empfindungen über Berührung, Temperatur, Schmerz und Vibration. Darüber hinaus zählen einige autonome Nerven zum Peripher-Nervensystem. In den meisten Fällen betreffen die Schädigungen die Körperteile, die vom Rumpf entfernt liegen. Die Rede ist dann von einer distalen Polyneuropathie. Weitaus seltener betrifft die Krankheit auch die rumpfnahen Körperteile. In diesem Fall spricht die Neurologie von einer proximalen Polyneuropathie. In nahezu allen Fällen treten die ersten Symptome an den Gliedmaßen auf. An den Extremitäten können die Erscheinungen symmetrisch oder asymmetrisch vorliegen.
Entstehung Polyneuropathie
Jeder periphere Nerv enthält mehrere Nervenzellen. Jede dieser Zellen setzt sich aus Zellkörper und Nervenfortsatz zusammen. Der Fortsatz wird auch als Axon bezeichnet und kann einen ganzen Meter messen. Nervenleitbahnen sind elektrisch gegen ihre Umgebung isoliert. Zu diesem Zweck tragen Axone sogenannte Myelinscheide. Dabei handelt es sich um Substanzen, die die Nervenleitung vor Potenzialverlusten schützen.
Das Myelin wirkt sozusagen wie das Kunststoff eines kunststoffummantelten Kabels. Ohne Myelin würden Aktionspotenziale im Nervensystem entweder verloren gehen, oder zumindest deutlich später ihren Bestimmungsort erreichen. Myelin-abbauende Erkrankungen nennt die Neurologie demyelinisierende Krankheiten. Zu dieser Krankheitsgruppe zählt die Polyneuropathie. Ein Zerfall der Myelinschicht zeichnet zumindest eine Form von Polyneuropathien aus. Davon zu unterscheiden sind solche Arten der Polyneuropathie, die die Axone direkt betreffen. Diese Formen heißen axonale Polyneuropathien. Teilweise treten beide Varianten gemischt auf.
Symptome Polyneuropathie
Polyneuropathien sind immer das Symptom von übergeordneten Erkrankungen, oder hängen zumindest mit pathologischen Zuständen zusammen. Zu den verbreitetsten Ursachen zählen:- Stoffwechselerkrankungen
- Vergiftungen
- Infektionen
- Bösartige Erkrankungen
- Mangelerscheinungen
- chronische Entzündungen
- Organschädigungen
- Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus
- Vergiftungen durch Medikamente oder im Rahmen von Schwermetallbelastungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch
- Infektionen wie Bakterieninfektionen, HIV oder Borreliose
- Bösartige Erkrankungen wie Tumorerkrankungen oder bösartig verlaufende Autoimmunerkrankungen
- Mangelerscheinungen aufgrund von mangelhafter Ernährung, so vor allem bei Mangel an Vitamin
- chronische Entzündungen von Gefäßen
- Organschädigungen wie Leber- Nieren- oder Schilddrüsenläsionen
Verschiedene Arten
Abhängig von den Ursachen kann von idiopathischen, toxischen, infektiösen und metabolischen Arten der Polyneuropathie die Rede sein. Toxisch wäre zum Beispiel eine Ursache wie Medikamente. Metabolisch verweist auf Stoffwechselerkrankungen und infektiös auf Infektionen. Bei den idiopathischen Formen lässt sich kein unmittelbarer Auslöser identifizieren.
Häufige Beschwerden
Für Patienten mit Polyneuropathie hängen die Beschwerden von der Qualität des betroffenen Nervengewebes ab. Diese Qualität kann autonom, sensibel oder motorisch sein. Häufigste Symptome sind:- Parästhesien (Kribbel- oder Taubheitsgefühle) und Sensibilitätsstörungen (Missempfindungen)
- Akroparästhesien im Sinne von Kribbeln oder Taubheit der Finger und Zehen
- motorische Ausfälle wie Muskelschwäche, Gangunsicherheit oder Lähmung
- Druckempfindlichkeit
- Schmerzen
- trophische Störungen wie Ernährungsstörung im Gewebe
- Herzrhythmusstörungen
- Verdauungsstörungen
- Störungen der Sexualfunktion
Behandlung von Polyneuropathie
Die polyneuropathische Krankheit wird durch eine Kombination aus symptomatischer und kausaler Therapie behandelt. Die kausale Therapie setzt an der primären Ursache an. Die symptomatische Therapie dient der Symptomabschwächung. Gegen die Schmerzsymptomatik der Patienten wird grundsätzlich eine symptomatische Schmerztherapie in die Wege geleitet. Mittlerweile hat sich zum Beispiel die Implantation einer sogenannten Schmerzpumpe als hilfreich erwiesen. Die Betroffenen können über diese Pumpe jederzeit Schmerzmittel ins jeweilige Gewebe abgeben.
Die Wirkstoffe erreichen den Ort des Schmerzes auf diese Weise schneller als bei oraler Schmerzmittelgabe. Während die kausale Therapie die Gesundheit der Patienten verbessert, verbessert die Schmerztherapie die Lebensqualität. Außerdem sind ursachenunabhängig physiotherapeutische und ergo-therapeutische Maßnahmen angezeigt. So kann die Regeneration des betroffenen Nervengewebes unterstützt werden.
Bei Mangelernährung
Mangelernährungsbedingt polyneuropathischen Erkrankungen begegnet der Arzt in vielen Fällen über die Substitution von Vitamin. Vor allem Vitamine wie B1, B6 und B12 spielen hierbei eine Rolle. Die Vitamine des B-Komplexes sind für ein funktionierendes Nervensystem nämlich unersetzlich. Grundsätzlich kann im Einzelfall auch eine supportive Umstellung der Ernährung sinnvoll sein, um Vitaminmangelerscheinungen in Zukunft vorzubeugen. Falls den Mangelerscheinungen eine Aufnahmestörung im Darm zugrunde liegt, müssen die Vitamine intravenös unter Umgehung des Verdauungstrakts gegeben werden.
Bei Infektionen
Gegen akute Infektionen helfen erregerwirksame Medikamente wie Antibiotika. Die Medikamentenauswahl erfolgt abhängig vom Erreger. Speziell multiresistente Erreger stellen Ärzte vor eine Herausforderung. Auch nachdem die ursächliche Infektion ausgeheilt ist, bleiben die polyneuropathischen Erscheinungen bestehen. Grundsätzlich können sich Leitbahnen in der Peripherie zwar eher von Schädigungen erholen als im Zentralnervensystem. Die Regenerationsdauer kann aber zwischen Jahren und Jahrzehnten in Anspruch nehmen.
Bei Stoffwechselerkrankungen
An diabetesbedingten Polyneuropathie-Symptomen ist die Erhöhung des Blutzuckers schuld. Die Schwere der Erscheinungen korreliert oft mit der Dauer und Schwere der Erhöhungen. Die Einstellung des Blutzuckers ist als kausale Therapiemaßnahme zwingend erforderlich, damit sich die Erscheinungen nicht fortschreitend verschlimmern. Neben einer entsprechenden Diät sind blutzuckersenkende Medikamentengaben ein unbedingt erforderlicher Therapieschritt.
Bei bösartigen Prozessen
Bei bösartigen Tumoren ist eine Exzision des Tumors indiziert. Abhängig von der Art der Raumforderung kommen zusätzlich oder alternativ Bestrahlungsverfahren oder chemotherapeutische Behandlungen zum Einsatz. Bösartig verlaufende Autoimmunerkrankungen werden nicht mit invasiven Verfahren, sondern durch Immunsuppression behandelt.
Von organischen Schädigungen
Bei ursächlichen Schädigungen von Leber, Nieren oder anderen Organen ist eine Transplantation des betroffenen Organs in der Regel die einzige Kausallösung. Damit das Organ nicht abgestoßen wird, erhält der Patient immunsuppressive Substanzen.